STRAUMANN, REINHARD

Der Uhrentechniker, Ingenieur und Unternehmer Prof. Dr. h. c. Ing. Reinhard Straumann wurde 1892 in Bennwil in der Schweiz geboren. Er arbeitete für die Schweizer Uhrenindustrie und betrieb eigene Werkstoffforschungen. Straumann studierte aber auch die Mechanik des Schiflugs und erarbeitete 1926 die Grundlagen für den Bau moderner Sprungschanzen. Im Jahr 1934 gründete er die Nivarox S.A. in Saint-Imier und entwickelte gemeinsam mit Siemens und Halske auf Basis des Tonfilmverfahrens eine automatische Zeitansage, die 1935 bei der Berliner Post zum Einsatz kam. Ebenfalls mit Siemens und Halske baute er die von ihm erdachte Zeitwaage, ein Gerät mit dem Unregelmäßigkeiten des Gangs einer Uhr festgestellt werden konnten. 1948 ließ Straumann den Federwerkstoff Nivaflex patentieren und gründete bald darauf, im Jahr 1951, die Nivaflex S.A., ebenfalls in Saint-Imier. Aus seinem Forschungslaboratorium wurde 1954 das Institut Dr. Ing. Reinhard Straumann, da die Entwicklung von Werkstoffen für den Uhrenbau verstärkt werden sollte. Aus dem Institut entstand 1990 die Straumann AG, die aktuell ein führender Anbieter im Bereich der Dentalimplantologie ist. Das Unternehmen Nivarox gehört heute zur Swatch Group.

Für den Uhrenbau bedeutend sind die von Straumann entwickelten Legierungen Nivarox und Nivaflex.

Nivarox

Die Unregelmäßigkeiten beim Gang einer Uhr, verursacht durch sich ändernde Temperaturen, stellten für die Uhrmacher über einen langen Zeitraum hinweg ein schwer zu lösendes Problem dar. Selbst der Einsatz von Kompensationsunruhen konnte die temperaturbedingten Gangfehler nicht komplett ausgleichen, da rund 90 Prozent dieser Fehler von den Spiralfedern verursacht werden.

Sogar die erste selbstkompensierende Spiralfeder, entwickelt von Charles Edouard Guillaume (1861-1938), wies noch Nachteile auf. Seine 1919 vorgestellte Legierung Elinvar, bestehend aus Eisen, Nickel und Chrom, war dem herkömmlichen Federstahl in Bezug auf die Temperaturkompensation zwar weit überlegen, konnte jedoch andere Stahleigenschaften, wie beispielsweise die hohe Elastizität und das konstante Schwingverhalten, nicht erreichen.

Erst Reinhard Straumann gelang in dieser Hinsicht der Durchbruch. Nach jahrelangen Versuchen konnte er 1933 die Legierung Nivarox vorstellen, die 1935 patentiert wurde. Die hauptsächlich aus Eisen, Nickel und Beryllium unter Beigabe von Titan, Mangan, Silizium und Chrom bestehende Legierung brachte in richtiger Abstimmung aller Faktoren (Zusammensetzung, Verformung, Wärmebehandlung und Querschnitt) die temperaturbedingte Gangabweichung auf null. Darüber hinaus war Nivarox weitgehend unempfindlich gegen magnetische Felder, rostfrei und besaß eine hohe Elastizität. Ab diesem Zeitpunkt sorgte die Spiralfeder für die Anpassung an die Temperatur, die Unruh brauchte der Feder nur noch als exakt ausgewuchteter Schwingkörper zu folgen. Kein Wunder, dass Nivarox-Spiralen bis heute in mechanischen Uhren Anwendung finden.

Nivarox-Spirale eines Unitas-Kalibers aus den 1980er-JahrenUhren Köck Uhrenlexikon Bild Straumann-Nivarox-Spirale© Walther Köck

Nivaflex

Auch die Mängel der stählernen Zugfedern, wie Korrosion, Magnetisierung und Ermüdungsbruch, mussten von den Uhrenherstellern lange Zeit in Kauf genommen werden. Bis Reinhard Straumann, nach rund zwanzigjähriger Entwicklungsarbeit, im Jahr 1948 die Legierung Nivaflex patentieren lassen konnte. Der von ihm entwickelte Werkstoff bestand aus Eisen, Nickel, Chrom, Kobalt, Wolfram, Molybdän, Titan sowie Beryllium und erfüllte alle an ihn gestellten Anforderungen. Eine Nivarox-Zugfeder war nichtrostend, unmagnetisch und beinah unzerbrechlich. Sie hielt auch länger, als es der normalen Gebrauchsdauer einer Uhr entsprach. Daher werden auch diese Federn bis heute in mechanischen Uhren eingesetzt.

Siehe auch unter FEDERANTRIEB, GANG, GANGABWEICHUNG, KOMPENSATIONSUNRUH, MAGNETISMUS, NIVAFLEX, NIVAROX, SPIRALFEDER bzw. ZUGFEDER

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